Rudolf Hammacher, Bürgermeister von Osnabrück

*17. 8.1528 Osnabrück

+19.4.1594 Osnabrück (lutherisch)

Vater Gerd (+1529), Glaser/Gildemeister in Osnabrück

Mutter Katharina von Leden, Tochter des Rudolf von Leden, Gildemeister in Osnabrück

1. Ehe: 1552 Regine Cappelmann (1515-1588), Witwe des Gildemeisters Jürgen von Lengerke (1505-1550) in Osnabrück; brachte 7 unmündige Kinder mit in die Ehe; 3 Kinder aus dieser Eh,; unter anderem Regine (Heinrich Nitze Senior, 1555-1618, Ratsherr und Bürgermeister in Osnabrück – deren Tochter Katharina Nitzen (Ratsherr Rudolf Russel/Rüßel) wurde 1639 durch Bürgermeister Wilhelm Peltzer als Hexe verbrannt.)

2. Ehe: 1589 Anna Schleibing (1562-1643), Tochter seines Mentors Christian Schleibing (+1566), Rektor in Osnabrück und Herford, und der Regina Wesseling,

 

R. H. besuchte eine örtliche Kirchspielschule, danach die Lateinschule am Dom, ging eine Zeitlang mit seinem Mentor, dem Domschulrektor Schleibing, nach Hannover. Nach Studium in Erfurt und Wittenberg wandte sich R. H. in Herford zunächst der wissenschaftlichen Laufbahn zu, wurde Rektor der dortigen Lateinschule. 1550 kehrte er nach Osnabrück zurück, wo er 1952 aber mit der Witwe des reichen Osnabrücker Leinwandhändlers v. Lengerke in dessen Geschäft einheiratete und Kaufmann wurde.

1556 Gildemeister des Krameramtes

1558 Ratsherr

1565-87 Bürgermeister mit 37 Jahren. Er setzte sich tatkräftig für die Interessen seiner Vaterstadt ein, verteidigte ihre Rechte gegenüber dem Landesherrn und sorgte für eine geordnete städtische Verwaltung. Bleibendes Zeugnis seines Wirkens ist das von ihm verfasste und noch heute erhaltene „Legerbuch“, eine von 1397-1574 reichende Sammlung von Ordnungen und Satzungen für Stadt und Hochstift Osnabrück. Unter ihnen finden sich z. B. die älteste, von Hermann Bonnus verfasste, evangelische Kirchenordnung für Osnabrück von 1543, eine Zusammenstellung des ehelichen Güterrechtes der Stadt, aber auch zeitgenössische chronikalische Nachrichten wie Auszüge aus einer kompilierten Historie Karls des Großen, die durch die sagenhaften Züge vieler Angaben vor allem für die Volkskunde von Interesse sein dürften.

R. H. war ein glühender Anhänger der lutherischen Lehre, der alle calvinistischen Regungen scharf unterdrückte; er vertrieb den angeblich calvinistischen Prediger Voß aus der Stadt, was sein Ansehen bei den Osnabrücker Bürgern erheblich steigerte.

 

Traurigen Ruhm erwarb er sich im Zusammenhang mit einer Pest- und Blatternepidemie (seit 1575, angeblich über 400 Tote in der Stadt) vor allem durch seine unerbittliche Verfolgung angeblicher Hexen, von denen er 121 innerhalb von 3 Monaten im Jahre 1583 verbrennen ließ. Seine Zeitgenossen sahen gerade darin ein Zeichen besonderer Tatkraft, Gerechtigkeit und Frömmigkeit; weitere fielen dem Wahn in den folgenden Jahren zum Opfer.

 

Die Hexenverfolgung hatte in Osnabrück eine lange Geschichte: Schon 1394 sollen nach einem Feuer, das einen Teil der Altstadt vernichtete, 103 sogenannte Hexen verbrannt worden, 1561 waren es aus anderem Anlass 16 Frauen. Selbst die Schwester eines Bischofs und Frauen von Ratsherren wurden als Hexen gequält.

 

 

Grabschrift des Pastors/Predigers (ev.) zu St. Katharinen (Osnabrück), Andreas Ditmar/Dethmarus (1540-1610, aus Braunschweig), beauftragt von Rudolf Hammacher zu Lebzeiten: Die Übersetzung steht auf einer Tafel an der Rückwand des Altars der Marienkirche zu Osnabrück.

Delineatio epitaphii

viro cl, ac prudentiss. maximeque pio D. Rudolpho Hammachern, reipub. Osnabrug. cos. primario, et

cum provinciali, tum ad Ad.D.virginis Ecclesiastico Senatori etianum viventi scripta et exhibita.

A

M. ANDREA DITMARO ad D. CATHARINAE PAROCHO.

Rudolphi Hammacheri jacet hic sine sanguine Corpus

Qui vivens patria hac magnus in urbe fuit.

Magnus justitae magnus pietatis amore,

Magnus consilio consiliique fide.

Nec populi applausu gaudens nec munera captans,

Utraque quae justo tramite jura movent.

Cum ipsi fuit una, bonis prodesse, nocere

Nulli hominum et patrio rite cavere solo.

Normam ergo fides labentem erexit er urbe

De Coena exegit dogmata prava, Dei.

Adde quod et turris nostra specula urbis et aedis,

Consilio illius stat bene structa decus.

Cui mirum ergo viri talis volitare per orbem

Nomen et a sera posteritate coli?

Hammacheri similes multos det Numen amicum

Salvaque erunt nobis curia, templa, schola.

Grab-Inschrift

 

 

 

 

 

 

von

M. Andreas Ditmar zu D.

Katharina-Pfarre

Rudolf Hammacher dürr Gebein,

Thun ruhen unter diesem Stein,

Welcher bei Lebzeiten zwar

In dieser Stadt berühmt war,

Berühmt von Lieb der Gerechtigkeit,

Berühmt wahrer Gottseligkeit,

Berühmt von hohem, weisem Rath

Von großer Treu und Ehrenthat.

Des Bürgermeisters hohen Stand

Und was demselben ist verwandt,

Das hat er geführet recht und wohl,

Wie ein gut Biedermann thun soll.

Die Sorg‘ er sich nicht beschweren ließ,

Auch nicht die Mühe, so auf ihn stieß.

Er acht‘ kein Gunst, noch groß Geschenk,

Denn solches das Herz vom rechten lenkt.

Sein einzig Fleiß und Sorge war

Den Frommen nützen, der Bösen Schar

Strafen ernstlich, das Vaterland

Halten bei Ruh und gutem Stand.

Deswegen er die reine Lehr‘

Stark schützet und befördert sehr.

Die von des Herren Abendmahl

Einführten Spaltung und Irrfahl,

Mit seiner treuen Gehülfen Rath

Er schaffet ab und aus der Stadt.

 

 

Die von diesem Prediger gehaltene Leichenpredigt auf Regina Cappelmann erschien 1588 bei Donat Richtzenhan in Jena (1594 in Rinteln/Lemgo?) im Druck.

 

Auszüge aus dieser Predigt (zum leichteren Lesen sprachlich bearbeitet)

Zur Person des Ehemanns, Rudolph Hammacher:

... so ist doch unleugbar und jedermann bekannt

dass er jetzt im 23. Jahr Bürgermeister dieser Stadt und Gemeinde

und sonst dem ganze Stift,

nach seinem guten und herrlichen Leben

mit treuem und heilsamem Rat

und mit unverdrossener Mühe und Arbeit also gedient hat,

dass nicht nur fromme Bürger und Einwohner dieser Stadt,

sondern auch einfache Stände dieses Stifts und landesfürstliche Obrigkeit selbst jederzeit daran ein gut und gnädig Gefallen gehabt und getragen,

ja, dass Freunde und Feinde solche seine dem Vaterland erwiesenen Dienste rühmen und preisen

und ihnen für ein heilsames Werkzeug Gottes in der Regierung und Haushaltung

... Und wenn ich von anderen seiner treuen Dienste diesmal schweige,

so ist doch in christlichen Herzen unvergessen

und soll gebührend niemals vergessen werden,

als vor etlichen Jahren diese christliche Gemeinde anfing, mit calvinischer Schwärmerei angesteckt und beschmutzt zu werden,

dass er zusammen mit etlichen anderen gottesfürchtigen Herzen unter Gefahr für Leib und Leben,

für Ehre und Gut,

dafür gesorgt hat,

dass der Sauerteig falscher Lehre beseitigt

und die reine Lehre in unseren evangelischen Kirchen bis heute mit göttlichem Segens erhalten worden ist ...

 

Zur Person der Verstorbenen:

...so hat diese selige Familienmutter, unsere Frau Bürgermeisterin, durch Gottes Segen ein ehrliches Alter erlangt,

denn sie war ins 73. Jahr getreten

und hat nach ihrer ehelichen Aussteuer in Ehestand und Haushaltung 55 Jahre gelebt

mit ihrem ersten Ehemann, dem ernsthaften,

seligen Jürgen von Lengerke, Gildemeister, 16 Jahre,

danach 3 Jahre in ihrem ehrlichen Witwenstand

und anschließend mit ihrem anderen Ehemann, dem Herrn Bürgermeister Rudolph Hammacher, ganze 36 Jahre,

die denn die selige Frau immer als eine große Gnade und Gabe Gottes erkannt

und ihr lieber Ehemann und ihre Kinder dies auch erkennen

und wir alle mit ihnen angemessen erkennen müssen.

... so wurden ihr von ihren Ehemännern 11 Kinder gezeugt,

8 vom seligen Jürgen von Lengerke

und 3 von dem Herrn Bürgermeister. Von diesen 11 Kindern sind 6 Söhne und 2 Töchter ehelich ausgesteuert

und wurden von ihnen 53 Kinder geboren

aus welchen wiederum 3 Enkeltöchter bestattet,

haben geboren 12 Kinder,

dass für diese Personen

die selige Dame in ihrem Leben Mutter,

Großmutter und Urgroßmutter gewesen ...

Hochmütiger und neu eingeführter Kleidung ist sie von Herzen Feind gewesen

hat sich selbst nie getragen

und die Ihren davon abgehalten.

 

 

 

 

Werk Das Legerbuch des Bürgermeisters Rudolf Hammacher zu Osnabrück, herausgegeben von E. Fink, 1927, = Osnabrücker Geschichtsquellen IV, S. 161-268.

 

Quellen/Literatur

ADB = Allgemeine Deutsche Biographie, Band 49, S. 747-748 http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00008407/images/index.html?seite=749

NDB = Neue Deutsche Biographie 7, S. 589: Ottokar Israel: Hammacher, Rudolf - http://www.deutsche-biographie.de/pnd139875832.html

J. C. B. Stüve, Geschichte des Hochstifts Osnabrück II, 1872, S. 88, 202 und öfter

F. Lodtmann, Die letzten Hexen Osnabrücks und ihr Richter, in: Mitteilungen des Historischen Vereins zu Osnabrück 10, 1875, S. 97-104, Grabschrift, S. 189-191 (lat.), 191-195 (dt.); siehe auch Einlage zum „Legerbuch“, siehe W, S. XXI-XXVIII.

Biographisches Handbuch zur Geschichte der Region Osnabrück - bearbeitet von Rainer Hehemann –Hrsg. Landschaftsverband Osnabrück e. V., Rasch Verlag Bramsche, S. 120

Chronik der Stadt Osnabrück - bearbeitet von Ludwig Hoffmeyer, erweitert: 3. Auflage bis 1933 von Ludwig Bäte; 4. und 5. Auflage bis 1978 von Dr. Heinrich Koch; 6. Auflage ab 1970 bis 1995 von Frank Henrichvark - 6. Auflage 1995 – Druck und Verlag: Meinders & Elstermann, Belm bei Osnabrück, S 153-156, 197-200, 269

Geschichte der Stadt Osnabrück - Herausgegeben von Gerd Steinwascher im Auftrag der Stadt Osnabrück - Druck und Verlag: Meinders & Elstermann GmbH & Co KG. Belm bei Osnabrück - S. 182

Mc Alister-Hermann, Judith: Rudolf Hammacher (1528-1594) - Osnabrücker borgermester, paterfamilias und Hexenverfolger. Fallstudie zu den sprachlichen Verhältnissen in einer norddeutschen Stadt in der frühen Neuzeit. In: Sprache und Herrschaft 14 (III/1983) 130-163 – mit sehr ausführlichem Literaturverzeichnis